Die perfekte Hundehalterin

Meine verrückte Idee von der perfekten Hundehalterin

Wie gern wollte ich die perfekte Hundehalterin sein.

Dann hätte ich die volle Kontrolle und alles im Griff gehabt. Und jedem wäre es super gegangen. Mir und meinem Hund und dem Rest der Welt.
Ein wahres Paradies! 😊

Keine Ahnung, woher solche Ideen bei mir kommen …
Vielleicht habe ich, als Kind der 70er, zu oft „Lassie“ gesehen. Da war zwar auch nicht alles rosarot, aber am Ende wurde doch alles gut.

Doch leider war gar nichts perfekt - und noch nicht einmal gut -, als unser Hund bei uns einzog. Und das blieb auch eine lange Zeit so.


Genau genommen so lange, bis ich aufhörte, als Hundehalterin alles perfekt haben zu wollen.

Und stattdessen begann, mich zu fragen, was eigentlich hinter diesem Wunsch steckte.


Je mehr ich mich damit befasste, desto stärker wurde mir klar, dass es in Wirklichkeit um Kontrolle ging.

Ich wollte Herr oder, besser gesagt, Frau über die Situationen sein, die uns begegneten. Ich wollte, dass das Leben mit meinem Hund überschaubar war und Regeln folgte.

Dafür musste sowohl Pinto als auch ich funktionieren. Dazu gab es Sitz-Platz-Fuß-Kommandos. Sie waren die Grundlagen, um einen reibungslosen Alltag zu gewährleisten und Sicherheit zu geben. Und es war an mir, diese Dinge zu trainieren und umzusetzen.

All das und noch viel mehr glaubte ich.
Demgegenüber stand ein Hund, der allein das Anlegen des Hundegeschirrs als Zumutung empfand. Wer wollte da an Leinenführigkeit und Bei-Fuß-Laufen denken?


Eng verknüpft mit dem Kontrollbedürfnis war auch mein Wunsch, nicht aufzufallen.

Nicht nur, dass ich weit entfernt davon war, alles im Griff zu haben.
Diese Tatsache wurde durch meinen Hund auch noch öffentlich. Denn der interessierte sich nicht dafür, was die Nachbarn oder andere Hundehalter dachten. Ihm ging es einfach darum, SEINE Interessen durchzusetzen.


Als er zu uns kam, war er zwar jung, aber sehr klar in dem, was er wollte und nicht wollte. Und im Gegensatz zu mir tat er das laut und deutlich kund.

Er knurrte und bellte und sprang in die Leine. Er zerrte und zog, was das Zeug hielt. Machten wir ihn endlos los, war er schnell über alle Berge. Er liebte es zu rennen und sich von anderen Hunden jagen zu lassen. Er war in Freiheit geboren und dachte gar nicht daran, diese nun aufzugeben.


Mein Selbstwertgefühl war im Keller.

Der Hund machte, was er wollte, die Leute redeten über uns und ich schämte mich. Am liebsten wollte ich weg, raus aus der Situation.

Doch mit der Zeit begriff ich, dass das, was sich in mir abspielte, nicht neu war. Die Themen waren schon seit langer Zeit in meinem Leben. Pinto hatte sie nur wiederbelebt und ans Licht geholt.

Und mir wurde klar, dass es dabei um weit mehr ging als um Sitz-Platz-Fuß.

Es ging um ein riesiges Gebilde aus Vorstellungen, Ideen und Glaubenssätzen, von denen die meisten vermutlich nicht einmal meine waren. Ich hatte sie übernommen und versucht, nach ihnen zu leben, in der Annahme, sie würden mir Sicherheit geben und die Gewissheit, dazuzugehören – auf der Hundewiese wie im übrigen Leben.  

Doch das war ein Irrtum. Und Pinto sorgte dafür, dass er aufflog.
Durch die Unangepasstheit meines Hundes konnte ich erkennen, wie sehr ich mich angepasst hatte und in vielerlei Hinsicht ein Leben führte, das nicht (mehr) stimmte.



Ich begann, die Dinge zu hinterfragen.

Warum verhielt ich mich so, wie ich es tat? Hatte ich das in einem Hundebuch gelesen oder es mir irgendwo abgeschaut? Fühlte ich mich wirklich wohl damit oder imitierte ich bloß jemanden? (Ja, das tat ich ziemlich oft …)
Passte der Umgang mit meinem Hund zu seinem Wesen und seinen Bedürfnissen?

Je mehr Klarheit ich gewann, desto mehr kam ich bei mir an. Und auch bei Pinto. Erst als ich herausfand, was unter dem Deckmantel des vermeintlich Perfekten lag, kam das Echte zum Vorschein.

Dieser Prozess ist natürlich nicht abgeschlossen. Vieles haben Pinto und ich im Laufe der Zeit miteinander lernen und lösen können, anderes begleitet uns weiterhin.


Heute strebe ich nicht mehr danach, die perfekte Hundehalterin zu sein.

Es fällt mir nach wie vor nicht leicht, die Kontrolle abzugeben, aber ich kann akzeptieren, dass dies behutsam und in meinem Tempo geschieht.

Anstatt alles im Griff haben zu müssen, darf ich den allmählich lockern und mich darin üben zu entspannen und zu vertrauen.
Auch darauf, dass am Ende alles gut ist - wie damals, bei Lassie 😉.